Zuversicht – Erlebnisgottesdienst am 01.12.24

4. Dezember 2024

Am ersten Advent, nachmittags um fünf, wurde in der REFO Gottesdienst gefeiert.
Was die Leute zusammenbrachte war die Neugier auf „Zuversicht“.
Zuversicht war die Überschrift des Gottesdienstes.
Wie entsteht Zuversicht?
Wohin sieht die Zuversicht?
Wohin zieht mich die Zuversicht?
Wie werden Menschen zuversichtlich?  

Anknüpfend daran, für alle, die weiter denken wollen,  für alle, die nicht dabei sein konnten und
für alle, die es lieben den inneren Zuversichtsmut zu düngen ein paar Einstiegsgedanken zum Zug der Zuversicht: Zuversicht baut auf Vertrauen, nicht auf Sicherheit. – oder auch: 

Sicherheit funktioniert bei Gott anders. Und das scheint Prinzip zu haben. 

Die Sorge ‚ums Eigene‘ ist, das Sichern und Absichern ist typisch für uns Menschen.
Gleichzeitig aber steht sie in krasser Spannung, ja im Kontrast, im Widerspruch zu etwas noch viel eigentlicher Menschlichem: dem Vertrauen!

Das eine, wovon ich mir erhoffe, dass es mich absichert (‚Sicherheit‘), erweist sich oft als brüchiger, flüchtiger und vergänglicher als gedacht. – Das andere, was so weich und unbedeutend erscheint (‚Vertrauen‘), bietet eine andere Art von Sicherheit: eine tiefe, richtige, zuverlässige Sicherheit. Vertrauen hat dabei immer einen Bezug. Vertrauen ist Beziehungssache: Ich vertraue jemandem. Und wenn die oder der auf den ich vertraue, vertrauenswürdig ist, dann lohnt sich vertrauen.

Die biblische Weisheit ist voll von diesem tiefen Wissen: Im ältesten Weisheitsbuch, dem Buch Hiob, bringt es einer gut auf den Punkt: „Wer nicht auf Gott vertraut, bleibt ohne Zuversicht. Er vergeht, verwelkt, wird vergessen, verschwindet und andere treten an seine Stelle. – Sein Haus, an das er sich lehnt, bleibt nicht stehen; woran er sich klammert, das bleibt nicht bestehen.“
Oder mit leicht anderem Zungenschlag: „Worauf er sich stützt, das zerbricht.  Und seine Sicherheit zerreißt wie ein Spinnennetz.– Im Gegensatz dazu dann ein Satz aus den Psalmen: „Darum ist mein Herz so fröhlich und meine Seele jubelt vor Freude. Bei Dir, Herr, bin ich in Sicherheit.“

Zögerlich lese ich, höre zu, nehme war, was mir die Zeilen der alten Texte sagen wollen.
Und wie eine Bekräftigung im Stil einer Erzählgeschichte muss ich an die Parabel denken, die Jesus erzählte, an die Geschichte vom reichen Bauern: Da hatte einer die Ernte seines Lebens eingefahren; genug Futter für Jahrzehnte. Er war nicht dumm und lagerte dieses Vermögen in Form von Essen gut ein: neuer Speicher, beste Technik, gut  versorgt bis ans Ende des Lebens. Zufrieden lächelt er sich im Spiegel an, streicht über seinen Bauch und ist sich sicher: „Ich habe ausgesorgt. Mir kann keiner mehr was. Ich habe sie – die Sicherheit meines Lebens.“ Und während ich mich in dieses Bild selbst hineinversetze und anstelle von einem antiken Kornspeicher von satten Beamtenbezügen, von einer sicheren Pension und einem abbezahlten Ein-Familienhaus träume, reißen mich die Worte Jesu jäh heraus, aus der Sicherheits-Träumerei: „Du Narr“, Gott selbst spricht aus, wie es für den Bauern weitergeht: „Noch heute Nacht wird Deine Leben von Dir gefordert werden.“ Da hilft alles nichts. Keim Korn. Kein Speicher. – Alles menschliche Vorsorgen und Sich-Schützen zerschmettert an den Konturen der größeren, eigentlichen Wirklichkeit, wie ein billiges Sektglas an Felsen.

Doch warum muss es so sein? Warum kann ich nicht ganz in Frieden hier und jetzt genüsslich und geruhsam im sicheren Luxus leben? Was ist dagegen einzuwenden? Kann ein Christ nicht auch einfach nur mal glücklich und sicher vor sich hin leben?
Ja! Und Nein.

Zuerst zum „Ja“:
Ja, es ist gut, ohne Angst zu leben.
Ja, des Menschen Sehnsucht, sich nicht ewig sorgen zu müssen, soll erfüllt sein.
Ja, das Streben nach dem Beständigen, Anhaltenden, Sicheren ist gut, richtig und gesund.

Und dann zum „Nein“:
Nein, es gibt keinen billigen Angst-Löser. Geld erlöst nichts. Noch nicht mal mich von der Angst.
Nein, der eigentliche Sorgengrund ist nicht Geld-Knappheit, sondern sitzt tiefer, viele tiefer: Todesfurcht. Die Angst zu vergehen und zu verenden. Wie ein Wurm. Irgendwo im kalten Nichts.
Und Nein, dagegen hilft kein Geld, kein Haus, keine Yacht und auch keine noch so gute Versicherung. Nein, mein Streben nach was Festem, Beständigen, Anhaltenden, Sicheren wird nur da gesättigt, erhört und gestillt, wo etwas Neues, Größeres, Stärkeres ins Spiel kommt; wo etwas aus einer ganz anderen, größeren, höheren Dimension kommt und zu mir in meine Dimension hinein reicht und mich berührt . – Etwas, was über mich hinaus reicht und über mich hinaus weist. Etwas, das Größer und Weitreichender ist als ich selbst. Etwas, das mich trägt und erhält.
Im Leben und, ja, auch im Tod. Und danach.

Ein Christ, der so eigentlich, richtig, ganz und gar Christ ist, der also mit Christus verbunden ist, der „in ihm“ lebt, dessen höchste Sicherheut ist Gott selbst: „Darum ist mein Herz so fröhlich und meine Seele jubelt vor Freude. Bei Dir, Herr, bin ich in Sicherheit.“ Im Alltag und Alltagsleben heißt das: Ich höre auf Gott. Ich erspüre ihn. Ich öffne mich für die höchst-weisen und gütigen Gedanken, die die Heilige-Geist-Kraft mir offenbart. – Und es heißt deshalb auch: Wann immer ich auf diese Geistkraft höre, wird sie mich hineinnehmen in die größere Sicht Gottes. In eine Sicht und eine Perspektive, in der ich einerseits höchst zufrieden, beruhigt und „ge-settlet“ sein kann. Und zugleich in eine Perspektive und Sicht, in der ich immer spüre, dass jetzt & hier noch nichts alles aus und fertig ist, dass hier & jetzt noch vieles im Argen ist, dass jetzt & hier noch keineswegs Schluss sein kann, dass von hier aus noch eine Menge geschehen muss, damit alle und alle wahrhaft zufrieden und in Sicherheit sein können.

„Der Mensch, der von der Offenbarung Gottes in Verheißung betroffen wird, wird identifiziert – als das, was er ist – und zugleich differenziert als das, was er sein wird. Er kommt „zu sich selbst“ aber in Hoffnung; denn er ist noch nicht dem Widerspruch und dem Tod entnommen. Er findet zum Leben, aber verborgen, in der verheißenen, noch nicht erschienen Zukunft Christi. So wird der Glaube wesentlich zum Hoffenden. Er ist „sich selbst“ noch Zukunft und ist sich verheißen. Seine Zukunft hängt ganz und gar am Ausgang des Prozesses des Auferstandenen, denn er hat seine Zukunft auf die Zukunft Christi gesetzt. So wird er mit sich selbst ein stimmig ‚in spe‘ (in der Hoffnung), aber nicht ‚in re‘ (in der Lage der Dinge jetzt). Gerade der sich der Verheißung Anvertrauende wird sich selbst zum Rätsel und zur offenen Frage and die Zukunft Gottes. Darum steht gerade der Hoffende nicht einstimmig und zentrisch zu sich selbst, sondern er steht exzentrisch zu sich selbst in jener ‚facultas stand extra se coram deo‘ (in der Fähigkeit außer sich selbst zu sein vor Gott), wie Luther es sagte. Das Verheißungsgeschehen bringt ihn noch nicht in eine Heimat der Identität, sondern nimmt ihn hinein in die Spannungen und Differenzen der Hoffnung, der Sendung und der Entäußerung.“
(aus: Jürgen Moltmann. Theologie der Hoffnung)

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