Performance Verlust I

31. Januar 2025

Performativer Gottesdienst – 19.01.2025                                                     
Wort, Klang, Bewegung, Raum, Video

 

 

© Fotos: Ben Gross

Performance Verlust I
„Prüft alles und behaltet das Gute!“ (Thessalonicher 5,21)

TEXT (Auszug)
In Bewegung kommen, loslaufen. – Wohin? – Mich bewegen, – hierhin, dorthin.
Mich bewegen lassen.

Stopp! – Anhalten! – Was bewegt mich? – Wer Bewegt mich?
Was lasse ich zurück?
Was tritt in den Hintergrund, taucht ab und verblasst?

Erstes Kapitel: eine Positionsbestimmung!
Ich prüfe, wer ich gerade bin.
Höre meinen langsamen Atem.
Nehme die subjektive Dimension von Dingen wahr.
Geht etwas verloren, bin ich froh. – Vielleicht fehlt es mir aber auch.
Da ist zudem der Trennungsschmerz über all das, was ich zurücklasse.

Aber der größte Verlust, – neben dem Kontrollverlust, dem „Verlust der Kontrolle“,
ist da noch der Verlust des eigenen Lebens. – Während wir uns selbst im Tod verlieren.

Zweites Kapitel: das Gute finden.

Was ist das Gute?

Eine poetische Frage. – Eine persönliche Frage.
Kontakt zu den Wurzeln aufnehmen, Kontakt zum Geheimnis der Existenz.

Alles Energie, alles Schöpfung.
Mich davon berühren lassen, bedeutet, alles andere loszulassen.
Und: dem Verlust nicht mehr nachzutrauern.

Stattdessen, – unsere Sinne zu nutzen. Die Proportionen zu erkennen, sie zu formen, zu gestalten –
und mich dabei mit dem Nichts verbinden.

Mich mit dem Guten verbinden. – Mit dem, was auf mich zukommt.
Ich stelle mir jetzt eine Landschaft vor.
Mit ganz verschiedenen Dingen. – Da ist die Weite, ein paar Bäume, – auch den Horizont kann ich sehen.
Einen kleinen Fluss gibt es hier. Sowie Blumen, Hügel, Wege, die von hier nach dort führen. –
Mal sind sie steinig, mal sandig, mal breit und wieder eng, führen über Brücken, sind abschüssig oder begleiten mich nach oben.

Du öffnest gerade einen neuen Raum. – Dafür braucht es Zeit.
Zeit, um z.B. die Behaglichkeit des Schweigens in sich aufzunehmen.

Die Landschaft, die in dir entsteht, lebt davon, dass du sie durchquerst. Dabei lässt du etwas zurück, – während dir Neues begegnet.

So wie du es beschreibst, erinnert es mich an eine Pilgerreise. – Eigentlich macht das ja eher mein Dad, aber vielleicht ist es ja auch für mich dran.
Sowas ist wohl auch ziemlich spirituell, weil es hilft runterzufahren, mit sich allein zu sein, zu hören, zu sehen, zu schmecken, zu tasten und zu riechen.

Drittes Kapitel: Die Bewegung als Instrument.
Nicht jede Landschaft lässt sich bewohnen. – Wohnt da schon jemand? Wen oder was, treffe ich dort an?

Zum Beispiel begegnen mir dort meine Fantasien. – Ich spüre die Sonne auf meiner Haut, ich höre die Vögel,
ich nehme den Boden wahr, wie er sich verändert und mich trägt. – Meine Lust auf Unbekanntes steigt.

Und Gott? – Triffst du Sie dort auch an?

Ich weiß nicht so genau.
Ich glaube, ich würde das Wort gar nicht verwenden.

Wieso?

Es klingt so schwer und festgelegt. – Das schreckt mich ab. – Es ist einfach krass belastet.

Du prüfst, – und dann ist Gott einfach raus?

Ich will mich vom alten, verkrusteten, starren, unbeweglichen, einzwängenden, spaltenden, enttäuschenden – verabschieden.
Es darf unschärfer werden und ganz verschwinden, denn es belastet mich nur.

Was bleibt dann noch übrig?

Bleiben, –  heißt hier für mich vor allem, zu entdecken. – Neues zu entdecken.

Wieder beobachte ich mich in der Landschaft, wie ich sie durchquere, wie sie sich mir öffnet. – Denn tatsächlich ist sie ganz tief in mir.

Ich nehme wahr, dass etwas geschieht. – Auch die Einsamkeit, weil da gerade etwas sehr Persönliches geschieht.

Ja, ich erlebe hier eine Beseelung. – Weil mich wirklich etwas berührt. – Das geht eher über mein Herz. – So ein Herzensweg!
Ich werde Teil, – komme ins Fließen, Rauschen, Strömen, Schwingen, …

Zurücklassen und behalten. – Ein Spiel der Gleichzeitigkeit, eingebettet in einer größeren Bewegung.

Genau, was bleibt, lebt davon, sich zu verändern. – Darum braucht es die Bewegung.

Und diese Bewegung lebt nun mal vom „Verlust“.

Den Stillstand in Bewegung bringen und damit die Verzweiflung, den Tiefpunkt, die Hindernisse, die Enttäuschung,
die Apathie, die Empfindungslosigkeit und die Unachtsamkeit aufscheuchen!

Genau, die Bewegung als Instrument!

Deshalb sind wir beide ja schließlich auch in Bewegung. – Die Bewegung verbindest uns; schafft Beziehung.

Womit wir wieder bei der Beseelung wären, beim berührt-sein, dem Herzen und dem Herzens-Weg.

Und hier findet sich alles, tief eingeschrieben. – Überraschendes, die Wiederholungen, rätselhaftes, – eben ganz unmittelbar.
Ich kann danach greifen und es in meinen Händen bergen.
Wer bist du? – „Ich bin, der ich bin.“
Hören, anstatt zu reden, heißt für mich, zu empfangen.

Weil es sich ereignet, – sich zeigt, wie und wann es will.
Und deshalb kann es auch nicht allein ums Verstehen, um Dogmen, um „richtig oder falsch“ gehen.

In jeder Berührung kann unser Leben seinen Ausdruck finden.

Mich dem ausliefern. – Auch in der Berührung mit diesem Ort und miteinander.
Unsere gemeinsamen Erfahrungen formen dabei Neues. – Fortwährende Veränderung.

Geheimisse, die wir mitnehmen und wieder los- und zurückzulassen.

(Jens Reulecke)

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