Dankbar: „dazwischen und darüber hinaus“

28. März 2025

Diese Predigt habe ich vor einigen Tagen in dieser Passionszeit in einer kleinen katholischen Dorfkirche gehalten. Bitte stellt Euch ein langes Kirchenschiff vor, das auf einen prunkvollen kleinen Hochaltar zuläuft. Eine Meßnerin begrüßt mich geschäftig. Eine Kamera surrt, der Gottesdienst wird festgehalten für Waldemar, einen 90jährigen Jubilar. Das Kirchenschiff füllt sich mit Angehörigen, Freunden, der bündischen Jugend Berlin-Friedenau – und ein paar Locals aus dem Dorf Krailing. Ich wage einen Vorstoß…

„Seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch.“ 1.Thessalonicher 5,18 (Luther 2017)

Ich bin dankbar. Klar bin ich dankbar. Wenn ich zurückblicke, bin ich dankbar.

Mit meiner Pfadfinder-Gruppe damals, 1986 lernte ich sie kennen. Piet die Labertasche, Adam den Herzensbrecher, Elisa die Schöne, Pelle den Clown, Peter und Eve*, die Gruppenleiter und ich, der hoffnungslos nicht-coole Sonderling.

Wir hatten uns als Gemeinschaft, als Gruppe gefunden im Alter von 13 Jahren zuerst auf einer Fahrt gemeinsam in der Eifel – dort mussten wir als Aufnahme-Prüfung jeder allein auf einen Friedhof gehen und ein Grab suchen.
Dann auf dem Sommerlager in Frankreich wo die Hormone hochkochten.
Dann in Schweden auf einem Haik, einer mehrtägigen Wanderung mit nächtlicher Hüttenübernachtung unter einem Sternenzelt und einer Glocke von 10.000 Mücken. Zum Abschluss Nacktbaden im See – also bitte, das gehört nun wirklich nicht hierher.

Ich kam von jeder Fahrt glücklich wieder.
Und bin jetzt dankbar für alles das was ich mit Menschen und in der Natur erlebt haben.

Habt ihr das auch in Euch?
Oder die erste Liebesbeziehung, die bei weitem nicht so lange dauerte wie die Freundschaften, die ich immer noch habe. Immer wieder besuche ich Freunde, die ich schon 50 Jahre kenne. Bei manchen ist das so, als wären wir nie räumlich getrennt gewesen. Das Gespräch geht weiter, als wäre ich nur kurz um die Ecke gewesen.
Ein Schatz, ein Netz an Familie, Freunden, Nachbarn. 

Dankbarkeit. Klar. Kein Problem im Rückblick. Denn wir erinnern uns vor allem an die schönen Zeiten im Leben, das macht das Gehirn so.

Nur, was ist mit dem Jetzt? Was ist mit den Dingen, die mich nerven, schlimmer: Die mit traurig machen, jetzt gerade? Ich weiß von Menschen, denen es jetzt nicht gut geht, ich weiß von jemandem, der gerade stirbt. 

Paulus: Seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch. 1.Thessalonicher 5,18 (Luther 2017)

Das sind merkwürdige Formulierungen, wie oft in der Bibel, nicht nur der Übersetzung geschuldet. Mir fällt auf:
Seid dankbar IN allen Dingen.
Da steht nicht FÜR alle Dinge.

Wir sollen nicht dankbar sein für alles, was uns geschieht. Paulus schreibt uns, wir möchten in allen Dingen dankbar sein. Sagen wir mal: Dankbar dazwischen und darüber hinaus. Entweder – wenn es mir gerade gut geht, kann ich dankbar sein (also dazwischen) oder besser: Obwohl es mir schlecht geht bin ich im Großen und Ganzen immer noch dankbar für…

Mein Leben.
Hm, und wenn ich nun doch vor dem Tod stehe?
Da steht ja Seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes
Aha, Gott möchte das von mir.

Funktioniert das? Gott möchte, dass ich dankbar bin obwohl ich sehe, dass es mir oder anderen schlecht geht oder ich dem Tod ins Auge sehe? Kriege ich das hin, weil Gott das möchte?

Es wäre jedenfalls gut: Wer dankt, baut ja auch eine Beziehung zu der-/demjenigen auf, der gedankt wird. Wenn ich Gott danke, bete ich und bekomme ein Gefühl und gute Gedanken für Gott. Aber es steckt noch mehr in dem einen Satz.

Denn das ist der Wille Gottes …. in Christus Jesus für euch.

Was hat Christus Jesus damit zu tun?
Naja, wir sind in der Passionszeit, Jesus hat sehr gelitten und ist am Kreuz leidend gestorben … und ist auferstanden. Ostern.

Wenn Paulus „in Christus Jesus“ schreibt, meint er damit  mehr als den Menschen Jesus. Sondern das, was Jesus für uns getan hat:
Paulus würde sagen: Vergebung aller Sünden, ich sage zusätzlich und zur Erläuterung:
Jesus Christus hat die Auferstehung für uns …erfunden? …geschafft.

Unser Leben steht in einem größeren Zusammenhang. Darüber wissen wir nicht viel, was davor war, und was danach kommt, es hat etwas mit der existierenden Ewigkeit zu tun und unser irdisches, jetziges Leben ist ein Teil davon. 

Ich würde sagen: Seid dankbar dazwischen und darüber hinaus.
Der Tod ist ein Übergang und das was danach kommt, sehen Christen als eine Erfüllung, eine Belohnung.
Mit den Worten der „Himmel“ oder „Gott schauen“ umschreiben wir das, was wir nicht wissen können, an das wir aber glauben.

Der Tod ist kein Grund, nicht für das Leben dankbar zu sein.
Wenn ich mir aber unsicher bin, ob ich ewig leben werde und ob das Leben weitergeht nach dem Tod, dann wäre das jetzt mal eine gute Zeit, daran zu glauben anzufangen.

Es sind noch fünf Wochen bis Ostern, Jesus hat uns vorgemacht, wie man aufersteht zum ewigen Leben.
Fünf Wochen, Dankbarkeit zu üben. Zu jeder Mahlzeit zu danken und Abends sich zu fragen: Wofür bin ich heute dankbar?

Und versucht doch dann mal, zu glauben, dass es Hoffnung gibt, weil nach dem Tod die Auferstehung kommt. Man kann sich für diesen Glauben versuchsweise entscheiden und dann, wenn er noch so klein, ist, ihn weiter füttern und nähren und wenn Ostern dann da ist, das bewusst begehen als Fest mit Freude über Auferstehung zum ewigen Leben.

Nicht müde werden
sondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhalten.  (Hilde Domin)

Und dann mal eine Prüffrage stellen: Glaub ich jetzt vielleicht dran?

Darum lasst uns wieder anfangen, vor einem Essen zu danken. Den Händen, die es zubereitet haben – aber auch Gott, dass wir es genießen können.

Oder lasst uns Abends nochmal fragen: Wofür kann ich heute dankbar sein? Vielleicht hilft es, sich vorzustellen, dass der Tag ein Geschenk war.

Seid dankbar dazwischen und darüber hinaus.
Amen

*Alle Namen in den wirklich so geschehenen Jugenderinnerungen wurden geändert.

Autor: Sebastian Leenen

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